Ausstellung raumB1 in Utting
Kreisbote Landsberg 17. August 2022 Von Susanne Greiner
Utting – Die Farben des Prachtkäfers schillern vor allem an der Unterseite. Marco Calogera weiß das. Was er macht, nennt sich „naturwissenschaftliches Zeichnen und Malen“, eine Fertigkeit, die an der Kunstakademie in München gelehrt wird. Calogeras Steckenpferd sind Schmetterlinge und Insekten – die aktuell im raumB1 am Uttinger Bahnhof zu sehen sind. „Die Ausstellung ‚Wunderwelt der Insekten‘ soll auf deren Schönheit aufmerksam machen“, sagt raumB1-Leiter Harry Sternberg. Ein Vortrag des Hornissenexperten Dr. Elmar Billig und ein Tag für Kinder schnüren ein Rundumpaket. Wer Calogeras Bilder und Billigs Wissen bei der Vernissage am Freitagabend aufsaugte, begegnet Insekten anders: mit Respekt für deren Raffinesse und Ästhetik.
Als Alexander von Humboldt mit Aimé Bonpland Anfang des 19. Jahrhunderts in die Neue Welt aufbrach, um sie zu kartieren und die fremde Tier- und Pflanzenwelt zu erforschen, hatten die beiden Naturwissenschaftler sicher auch eine Menge Bleistifte im Gepäck. Mangels Fotoapparat mussten Fauna- und Flora-Entdeckungen mittels Zeichnung festhalten werden. Laut Humboldt unter widrigen Umständen, „beim Feuer, in einer indianischen Hütte, wo kein Sonnenstrahl eindringt, und in welcher man auf dem Bauche kriechen muss“.
Ganz so schwierig ist die Arbeit der Gruppe „Die Zeichner“ nicht, die sich jeden Montag in der Zoologischen Staatssammlung München trifft. Calogera ist Mitgründer und auch Mitglied. Er reist gerne nach Brasilien, Peru oder auch Südafrika. Denn dort findet er sie, die fragilen Tiere, die er mit Buntstiften, Tusche oder Gouache festhält. Ein Bild zeigt auf der einen Hälfte die Innenseite eines Schmetterlings, auf der anderen die Außenseite des Tieres. „Den habe ich selbst aus dem Netz geholt“, erinnert Calogera. Zweimal war er in Peru im Dschungel, mit Wissenschaftlern der Staatssammlung. Und hat auch Dolch- oder Spinnentöterwespe mittels Nikotinspray erbeutet. „Damals vor 30 Jahren, das waren andere Zeiten. Heute würde ich das nicht mehr tun.“ Heute will er seine Faszination für die Tiere weitergeben. Die irisierenden Farben des Prachtkäfers, dessen Unterseite in Calogeras Bild nicht minder schimmert, die zarten Tuschelinien der Großen Ameisenjungfer oder die exakte Goache-Schattierungen der Ödlandschrecke zeigen das. Und übertragen die Faszination auf den Betrachter.
Der Hornissenfreund
Der akustische Teil des Abends vergrößert die Faszination. Billigs Hornissenwissen ist immens, widmet sich der Uttinger Kieferorthopäde in seiner Freizeit doch den bei vielen unbeliebten Brummern mit roten Backen. Dass ein Mensch nicht an sieben Hornissenstichen stirbt, ist auch im Labor belegt, erzählt Billig. Selbst eine Ratte überlebt 60 Stiche mit dem im Vergleich zur Biene 15mal schwächeren Hornissengift. Und mit noch einer Mär räumt der Hornissenfreund auf: Das Insekt hört sich zwar wegen des satten Brummens aggressiv an, ist es aber nicht: „Das ist die netteste Wespenart, die wir hier haben.“ Eine Hornisse am Tisch sei eben nur „falsch abgebogen“.
Werde man trotzdem (in ganz seltenen Fällen) vom Rotbäckchen verfolgt, kann das am verwendeten Parfüm liegen, das dem Target-Hormon ähnelt und den Mensch als Feind stigmatisiert. Ja, der Stich schmerze, zugegebenermaßen. Aber immerhin müsse ja auch der feindliche Bär was spüren. Billigs Tipp nach einem Insektenstich: heißmachen. Die Gifte bestehen großteils aus Eiweißen. Und die denaturieren, wenn man die Stichstelle „so lange man es aushält“ mit rund 42 Grad erhitzt. Wärmestift gibt‘s in der Apotheke.
Billig wird oft als Gutachter von den Naturschutzbehörden zu Hornissennestern in oder bei Häusern gerufen (die Tiere sind geschützt) – und stellt fest: „Das kann da bleiben“. Der Mensch soll ausweichen, nicht das Insekt. Trotzdem hat er schon zahllose Nester umgesetzt: „Bei 1.000 hab ich aufgehört zu zählen. Das war vor zehn Jahren.“ Er kennt die Tiere in und auswendig. Weiß von ihrer Winterüberlebenstaktik – einfach weniger trinken und mehr frostunempfindliche Plasmaproteine bilden –, weiß, dass die Königin bis zu zehn Versuche braucht, um zu entscheiden, wo sie ihr Nest baut – „Probewohnen“ – und er weiß, dass die Tiere seit 125 Millionen Jahren existieren – unverändert. Ein Meisterstück der Natur.
Am heutigen Mittwoch findet noch ein Kindertag zum Thema: „Umweltbildung – Insekten“ statt, den Thea Wolf vom LBV anleitet. „Bis jetzt habe ich schon neun Anmeldungen“, freute sie sich schon am Freitag. Auf dass die junge Generation besser mit der Natur umgeht als wir.
Mit der Verquickung von Kunst, Wissenschaft und Pädagogik zeigt Harry Sternberg wieder einmal Offenheit für einen neuen Weg – der auch funktioniert. Respekt für die Natur und der daraus resultierende Wille, sie zu schützen, kann auch über Schönheit führen. Und die Ästhetik von Calogeras Arbeiten verknüpft mit Wissen führt zur reinen Faszination.