Über das Unperfekte und das Bild im Bild

Bjarne Geiges zeigt Fotografien zum Thema „Erinnern – Vergessen“ im Raum B1 in Utting

Ammersee Kurier, Kultur, Seite 7, 24. Januar 2020

Bjarne Geiges hat seine Berufsausbildung beim Münchner Merkur und der TZ begonnen. Schnell merkte er, dass die Pressefotografie nicht sein Metier ist
Foto: Dagmar Kübler

VON DAGMAR KÜBLER

Utting – Im Raum B1 in Utting geben sich derzeit die Ausstellungen die Klinke in die Hand. Kaum ist die über das Lager X in Utting ausgezogen, übrigens die mit 400 Besuchern am meisten beachtete, schon hängt dort Fotokunst des renommierten Presse- und Werbefotografen Bjarne Geiges. Ähnlich wie auch „ Lager X” ist hier das große Thema die Auseinandersetzung mit Erinnern und Vergessen. Der Fotograf, aufgewachsen im Hochschwarzwald, Ausbildung in Berlin, wohnhaft in München, ist mit 77 Jahren in einem Alter, in dem Erinnern und Vergessen immer mehr zusammenrücken, um den Blick freizugeben, auf das, was bleibt; Wollen Sie etwas aus Ihrem Leben vergessen, Herr Geiges? Da lacht der Künstler und  schüttelt den Kopf: „Ich hatte ein schönes Leben, und auch die schlechten Phasen gehören dazu. Da kommt man sozusagen neu wieder heraus.“

Seine Berufslaufbahn begonnen, hat Geiges bei Merkur und TZ in München. Doch bald merkte er: „ Ich bin kein Pressefotograf.“ An der Tür von Betroffenen klingeln und wenn diese die Tür öffnen, schnell abdrücken, das war nicht sein Ding. So wechselte er in die Werbefotografie. Hier ging es um Perfektion. Doch bald entdeckte Geiges, dass es gerade das Unperfekte ist, was Bilder spannend macht: ,,Das Schöne interessiert mich nicht, das sind Kalenderbilder. Das Schöne wirft zu wenig Fragen auf, es ist schon fertig. ” Das Unperfekte zelebriert Geiges hervorragend in seinen Fotografien, die nun im B1 zu sehen und auch käuflich zu erwerben sind. Gehängt in Gruppen, korrespondieren sie untereinander. Und doch stecken auch in jedem einzelnen Bild eine Vielzahl von Geschichten. Fotografie ist für Geiges Handwerk. Die längste Zeit seines Lebens hat er analog fotografiert.

Nach 35 Jahren hängte er seinen Beruf an den Nagel, weil er nicht auf digitale Technik umstellen wollte. Doch bewegte ihn eine Freundin, das Neue auszuprobieren – und siehe da, es begeisterte ihn. Dennoch bearbeitet er seine Bilder nicht digital nach. Alles wurde so fotografiert, sagt Geiges. Bei manchen Bildern sind es einzelne Fotografien, die zusammengefügt wurden. Andere sehen zwar so aus, jedoch handelt es sich um zum Beispiel Spiegelungen. So entstehen spannende Momente beim Betrachten und lange verweilt das Auge im Bild. Suchend, erkennend. In Mauerwerk und Blüten offenbaren sich dem Geduldigen Gesichter. Wolkenformationen nehmen Gestalt an. Geschichten beginnen sich im Kopf zu bilden.

Man meint, der Fotograf habe die halbe Welt bereist, um diese Momente einzufangen. Wie kann man sich Herrn Geiges vorstellen, mit dem Auto unterwegs, Vollbremsung, rechts ranfahren, weil da gerade eine großartige Wolke am Horizont auftaucht? Kopfschütteln „Vieles sehe ich direkt vor meiner Haustür im Lehel, einfach so, wenn ich aus dem Fenster schaue. Es ist alles da, es ergibt sich.“ So die Kirchturmuhr von St. Lukas, die sich im Fenster spiegelt, während die Fotografie dem Betrachter vorgaukelt, sie würde am Himmel schweben. Nachdenklich stimmen auch die kleinen Texte unter Geiges Bildern. Ein Beispiel: „Ich kann mich nicht erinnern, warum ich es vergaß.”

Die Ausstellung ist noch geöffnet bis 16. Februar, jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr der KünstIer ist anwesend oder nach Vereinbarung mit Harry Sternberg unter Telefon 0163 6350853

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